Sierra Leone hat aus der tödlichen Epidemie 2015 gelernt und dient der Welt als Vorbild
Freetown (lb). Dass Sierra Leone einmal von Ebola profitieren würde, hätte wohl niemand gedacht. Doch die Corona-Pandemie zeigt genau diesen Effekt: Im ganzen Land gibt es keine Infektion mit dem neuartigen Sars-CoV-2-Virus und abgesehen von aktuell einem bestätigten Fall in Nigeria und vieren im Senegal ist ganz Westafrika bislang verschont geblieben. Das ist kein Zufall.
Überall hängen sie noch, die kleinen und großen Plakate, die vor Ebola warnen. In der Hauptstadt Freetown genauso wie im Busch. „Wascht Eure Hände“ steht darauf ganz oben – und wer anhaltendes Fieber hat, soll gemeldet werden, steht ganz unten. Genau das ist auch das Erfolgsrezept, um die Ausbreitung von Corona zu verhindern, sagt Chantal Neumann von den „German Doctors“ in Bonn, deren Organisation ein Krankenhaus im sierra-leonischen Serabu betreibt. „Hygiene, Hygiene, Hygiene. Aufklärung, Aufklärung. Bewusstsein schaffen.“
Das ist allemal noch immer vorhanden: „Die Ebola-Erfahrung kommt dem Land zugute, darüber gibt es keinen Zweifel“, sagt Horst Gruner, der deutsche Botschafter in Sierra Leone. Alle Reisenden, die am Flughafen aber auch auf dem Landweg Sierra Leone erreichen, werden nach einem Erlass des Gesundheitsministeriums sofort auf Sars-CoV-2 hin untersucht, insbesondere auf Fieber. Die Zeitung „Awoko“ zitiert das „Emergency Operation Centre“, wonach bisher 73 Menschen eine Quarantäne auferlegt worden sei, 59 von ihnen hätten diese nach 14 Tagen bereits beendet.
Diese massive Vorsorge ist 2020 besonders wichtig, mahnt der in Freetown ansässige deutsche Unternehmer Martin Brehm, „denn diesmal können wir nicht auf ausländische Hilfe hoffen, da jedes Land mit sich selbst beschäftigt ist“. Die Verunsicherung in der Bevölkerung ist deshalb auch deutlich spürbar, wenngleich von einer Panik wie in den Industriestaaten bei weitem keine Rede sein kann. Verstärkte (medizinische) Grenzkontrollen und die fortgesetzte Sensibilisierung der Bevölkerung seien der Schlüssel zum Erfolg, schreibt Mohamed Taal Bangura Jr. dazu auf „Facebook“.
Wie viele Menschen nach dem Ebola-Ausbruch 2014 in Sierra Leone gestorben sind, kann niemand verläßlich sagen, mehrere tausend in jedem Fall. Dass die Epidemie innerhalb eines Jahres beendet werden konnte, lag nicht zuletzt an der Einbindung der lokalen Verantwortlichen im ganzen Land, angefangen von den Chiefs bis hin zu den Geheimbünden. Dieser damals gewachsenen Strukturen bedient sich das Land auch fünf Jahre später noch erfolgreich und zeigt der Welt damit, wie man selbst in einem der ärmsten Länder der Welt einer Pandemie trotzen kann.
Über eines darf all das jedoch nicht hinweg täuschen: Die medizinische Versorgung im Land ist nach wie vor mehr als dürftig. Die Internetseite „travelriskmap.com“ stuft das Risiko für Sierra Leone in diesem Bereich als „very high“ ein, vergleichbar mit nur wenigen anderen Ländern auf der Welt wie etwa dem Jemen, Afghanistan oder Nord-Korea. Die Eröffnung mehrerer neuer Krankenhäuser in der Hauptstadt läßt jedoch auf eine langsame Verbesserung der Situation hoffen.
von Lars Bessel